Mittelmeerwinde verstehen: Dein Guide für Segler

Warum ist Wind im Mittelmeer so wichtig?

Das Mittelmeer ist für Segler und Abenteurer genauso geeignet wie für entspannte Familienurlaube. Doch hinter sanften Brisen und türkisfarbenem Wasser lauern auch meteorologische Phänomene, die Törns anspruchsvoll machen.

Die gute Nachricht: Viele dieser Winde sind vorhersehbar und regional typisch. Wer sie kennt (so wie unsere Skipper), kann sicher und entspannt segeln.

In diesem kleinen Exkurs erfährst du:

  • Welche Winde im Mittelmeer typisch sind
  • Wie sie entstehen, wo sie auftreten und wie du sie erkennst
  • Welche praktischen Auswirkungen sie auf deinen Törn haben
  • Welche Reviere besonders windanfällig sind
  • Und: Warum deine Crew mit einem erfahrenen Skipper immer auf der sicheren Seite ist
Karte der Segelwinde im Mittelmeer

Meteorologische Grundlagen: Wie entstehen Winde im Mittelmeer?

Winde entstehen durch Luftdruckunterschiede zwischen Hoch- und Tiefdruckgebieten.

  • Kalte, schwere Luft sinkt ab (Hochdruck),
  • warme, leichtere Luft steigt auf (Tiefdruck).

Der Druckunterschied erzeugt Luftbewegung, also Wind.

Im Mittelmeer wirken zusätzlich:

  • Gebirge wie die Alpen, Pyrenäen oder das Taurusgebirge → Fallwinde
  • Landschaftliche Engstellen → Düseneffekte (z. B. Straße von Bonifacio)
  • Unterschiedliche Erwärmung von Land und Wasser → thermische Winde
  • Großwetterlagen wie Azorenhoch und Nordsee-/Skandinavientiefs

Das Mittelmeer hat viele semi-permanente Drucksysteme, was zu relativ stabilen Windmustern führt. Das ist gut für die Segelplanung, sofern man weiß, worauf man achten muss.

 

Die 2 gängigsten Winde beim Segeln

Grafik Fallwinde

Klassisch die Fallwinde

Düsenwind Grafik

Meeresengen Düsenwinde

Gleich relevant: Das Kürzel Bft

Bft ist die Abkürzung für die Beaufortskala, die die Windstärke in 12 Stufen einteilt. Die Skala reicht von 0 (Windstille) bis 12 (Orkan).

Die Winde im Mittelmeer: Entstehung, Eigenschaften, Reviere

1. Meltemi (Etesien) – Nordwind der Ägäis

  • Region: Griechenland, Türkei, Ägäis
  • Windrichtung: Nord bis Nordwest
  • Saison: Mai–September
  • Stärke: meist 4–7 Bft., Böen bis 9 Bft

Entstehung: Kombination aus dem Azorenhoch und dem asiatischen Hitzetief. Unterstützt durch Land-Seewind-Effekte und die Topografie der Ägäis.

Besonderheit: Besonders stark zwischen den Kykladen (Mykonos, Ios, Amorgos). Fallböen in Leelagen der Inseln!

Relevanz für Segler: Der Meltemi bringt konstante Segelbedingungen und ist ideal für erfahrene Crews.

Skipper-Tipp für den Meltemi

Unerfahrene Segler und Seglerinnen sollten in dieser Gegend nur mit einem erfahrenen Skipper mitsegeln.

2. Bora – Der böige Fallwind der Adria

  • Region: Kroatien, Montenegro
  • Windrichtung: Nordost
  • Saison: ganzjährig, besonders im Winter
  • Stärke: 6–10 Bft, Böen über 200 km/h möglich

Entstehung: Kalte Kontinentalluft stürzt als Fallwind vom Dinarischen Gebirge aufs Meer.

Erkennbar: Wolkenwalzen über Bergen, plötzliche Temperaturabfälle

Besonderheit: Die Bora tritt oft plötzlich und ohne Vorwarnung auf. Besonders betroffen: der Velebit-Kanal, die Kvarner Bucht und der Raum um Senj.

 

Skipper-Tipp für den Bora

Nie ohne lokale Wetterwarnungen oder Revierkenntnis aufbrechen. Ein Katamaran mit flachem Tiefgang kann bei rechtzeitiger Reaktion schneller in Buchten ausweichen.

3. Mistral – Nordwestwind aus dem Rhône-Tal

  • Region: Südfrankreich, Golfe du Lion, Korsika
  • Windrichtung: Nordwest
  • Typ: starker Fallwind
  • Saison: ganzjährig, besonders Winter/Frühjahr
  • Stärke: 6–10 Bft, Böen bis 120 km/h

Entstehung: Der Druckunterschied zwischen Azorenhoch und Tiefdruck über Italien oder Skandinavien lässt Luft durch das Rhône-Tal strömen.

Erkennbar: Meist bilden sich kurze, steile Wellen. Die Sicht bleibt klar, die Luft wird allerdings sehr trocken.

Besonderheit: Der Düseneffekt in der Straße von Bonifacio. Hier beschleunigt der Wind bei der Verengung und belässt doppelt so stark.

Skipper-Tipp für den Mistral

Wer den Mistral früh erkennt (z. B. an linsenförmigen Wolken oder steigendem Luftdruck im Westen), sollte vormittags auslaufen oder einen Hafentag einlegen.

4. Scirocco (Jugo) – Der heiße Wind aus Afrika

  • Region: gesamter Mittelmeerraum
  • Windrichtung: Südost
  • Charakter: heiß, staubig, später feucht und regnerisch
  • Saison: Frühjahr/Herbst
  • Stärke: 3–6 Bft, in Extremfällen > 8 Bft

Entstehung: Der Sahara-Tiefdruck trifft auf europäisches Hochdruckgebiet und die warme, feuchte Luft überquert das Mittelmeer.

Erkennbar: Am fallenden Luftdruck und steigender Temperatur. Dazu kommt Staub in die Luft und trübt minimal die Sicht.

Besonderheit: Der Scirocco ist sehr konsistent und damit für erfahrene Skipper planbar.

Skipper-Tipp für den Scirocco

In Italien, Kroatien und Griechenland oft lokal als „Jugo“ bezeichnet.

5. Tramontana – Kalter Wind aus den Bergen

  • Region: Westliches Mittelmeer (Spanien, Ligurien, Elba, Korsika, Südfrankreich)
  • Windrichtung: Nord bis Nordost
  • Saison: besonders im Winter
  • Stärke: 4–8 Bft

Entstehung: Polarluft wird durch Gebirgspässe kanalisiert (z. B. den Pyrenäen) und trifft auf warme Luft im Mittelmeer.

Erkennbar: Am schnell wechselnden Wetter ist der Tramontana am ehesten erkennbar.

Besonderheit: Kurze Dauer, häufig in Verbindung mit klarem Himmel und schlagartigen Wetterumschwung

Skipper-Tipp für den Tramontana

Dieser Wind ist gleichmäßiger als Bora oder Mistral, aber nicht zu unterschätzen. Wer frühmorgens ausläuft, hat gute Chancen, dem Wind zu entkommen.

6. Libeccio – Der unberechenbare Südwestwind

  • Region: Frankreich, Italien, Korsika, Elba, auch Kroatien
  • Windrichtung: Südwest
  • Charakter: warm, feucht, mit Regen und chaotischer Kreuzsee
  • Saison: vor allem Herbst/Winter
  • Stärke: 4–7 Bft, Böen bis 11 Bft

Entstehung: Meist durch ein vom Scirocco entstandenes Tiefdruckgebiet.

Erkennbar: An einer dunklen Wolkenwand im Westen, Druckabfall und hoher Seegang.

Besonderheit: Der Libeccio erzeugt Kreuz-Wellen und macht das Meer sehr unruhig.

Skipper-Tipp für den Libeccio

Mit dem Libeccio ist nicht zu spaßen. Bei Anzeichen für diesen Wind sollten auch erfahrene Skipper die nächste geschützte Bucht aufsuchen, denn dieser Wind kommt aus dem Nichts!

7. Levante & Poniente – Die Gegenspieler der Straße von Gibraltar

Levante

  • Windrichtung: Osten
  • Region: Spanien, Gibraltar
  • Charakter: feucht, warm, mäßig bis stark
  • Effekt: hoher Seegang in der Straße von Gibraltar

Poniente

  • Windrichtung: Westen
  • Charakter: trockener, kühler Westwind
  • Wetterlage: typisches Hochdruckphänomen

Entstehung: Durch eine Verengung an der Meerenge Gibraltars entstehen Düseneffekte und ein starker Windzug.

Erkennung: Wechselspiel von warmer und kühler Luft bei hohem Wellengang.

Besonderheit: Beide Winde können sich schnell abwechseln und machen den Kurs schwer planbar.

Skipper-Tipp für die Enge in Gibraltar

In der Meerenge von Gibraltar entscheiden diese beiden Winde über den Kurs.  Unerfahrene Crews sollten mit erfahrenem Skipper reisen oder auf andere Reviere ausweichen.

Wie Winde deinen Segeltörn beeinflussen

Winde sind mehr als eine Brise im Segel:

  • Sie bestimmen deine Route
  • Sie beeinflussen die Dauer von Etappen
  • Sie fordern Crew und Material
  • Sie schaffen Segelmomente fürs Leben

Mit der richtigen Vorbereitung und einem erfahrenen Skipper an Bord ist jeder Wind dein Freund. Und ein Katamaran liegt besser auf unruhiger See als eine Segelyacht.

Mache darum immer den Wetter-Check

Bevor du ablegst, gilt:

  • Windvorhersagen checken, z. B. Windradar
  • Isobarenkarten lesen lernen
  • Lokale Eigenheiten kennen und beachten
  • Ankerplätze mit Windschutz einplanen
Screenshot eines Online-Windradars

Willst du die Winde selbst erleben?

Dann segle mit und durch die Winde in Griechenland, Kroatien, Sardinien oder Mallorca.

Hier findest du weiteres nützliches Segelwissen für jeden Wind: